Gleich vorweg - mit diesem Beitrag möchte ich auf keinem Fall Kollegen zu Nahe treten, die eine andere Auffassung zum Thema "Fotografieren mit Kunstlicht" vertreten, vielmehr möchte dieses umfassende Thema aus meiner Perspektive "beleuchten".
Fotografieren - das Malen mit Licht und Schatten. Oft lese ich von begeisterten Naturlichtfotografen. Sie fotografieren ausschließlich unter natürlichen Lichtbedingungen. Dabei vermitteln sie oft den Eindruck, als wäre es etwas ganz Besonderes auf Kunstlicht gezielt und bewusst zu verzichten - als wäre die Verwendung von künstlich gelenktem Licht etwas, was echte Profis zu vermeiden wissen. Ich frage mich beim Lesen vieler Kommentare allerdings, ob diese Abneigung daher rührt, die eigenen Skills in der Kunstlicht-Gestaltung könnten offenbar nicht ausreichen, um diese überhaupt bewerten zu dürfen. Tatsächlich ist es eine enorme Herausforderung Kunstlicht oder in den meisten Fällen verschiedene Kunstlicht- und auch Naturlichtquellen zu nutzen sowie auch zu vereinen. Ich versuche mich damit seit über 15 Jahren - für mich ist das alles andere als einfach.
Selbstverständlich lassen sich mit dem Licht der Sonne sowie durch Lichtformer, die dieses gezielt zu lenken wissen, tolle Bilder erzeugen. Keinesfalls ist Studiolicht eine Grundanforderung um ein tolles Foto zu generieren. Die Entscheidung für oder gegen das Arbeiten mit Kunstlicht bedingt meines Erachtens nach vor allem erst einmal das essenzielle Wissen darüber, was mit Kunstlicht überhaupt möglich ist und vor allem wie dieses zu nutzen ist.
Warum überhaupt Kunstlicht?
Was sind die Vor- und Nachteile mit Kunstlicht-Technik zu arbeiten? Die Vielfalt der Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten - der Hauptgrund, welcher für mich die Nutzung dieser Lichtquelle ausmacht. Wer es versteht mit diesem Licht zu arbeiten, wird wissen welchen Mehrwert es hat über Menge, Richtung, Intensität, Farbe und Form jeder Lichtquelle der Herr zu sein. In seinem Verhalten unterscheiden sich unterschiedlichen Quellen keinesfalls voneinander, ob Sonne oder Studiolicht, die Gesetzte der Physik bleiben selbstverständlich erhalten. Lediglich die Beschränkung der Wirkung lässt sich erweitern. Wer sich jedoch ausschließlich aufs Naturlichtfotografieren beschränken möchte, arbeitet eben auch quasi immer mit dem gleichen Grundsetting. Die Regeln des reziproken Abstandsgesetzes finden zwar ebenso Anwendung, jedoch fällt es oftmals kaum ins Gewicht. Ein Parameter der dann weniger zu beachten ist.
Wer im Studio arbeiteten möchte, der hat bereits die Entscheidung getroffen, seine technischen Fähigkeiten auf ein anderes Level zu bringen oder bringen zu müssen. Die Fragen die dann ansteht: Wo ist Licht und wo sind Schatten? Erstmal ist alles dunkel - erstmal herrscht Chaos - durch die gezielte Nutzung von Lichtquellen und deren Lichtformern kann das Motiv in seiner Gesamtkomposition nun so beleuchtet werden, wie der Fotograf es vorab visioniert hat.
Auf keinen Fall geht es hier um poppige Photoshopeffekte frei nach dem Motto: "Viel hilft viel". Mit gezielter Lichtführung bestimmt am Ende der Fotograf welchem Weg das Auge des Betrachters folgen wird - auch durch nur feine Nuancen, die beispielsweise eine filigrane Umrandung generieren.
Was man im Studio lernen kann, ist die gezielte Wirkung des Lichts auf Motive. Diese Regeln gelten ebenso auch außerhalb des Fotostudios. Und gerade hier entfaltet sich in meinen Augen dann das wahre Potential des Lichts. Durch die Vereinigung von Sonnen- und Kunstlicht, wird es nicht nur möglich wunderschöne Kreationen zu schaffen, sondern erst durch Licht generell ist es uns möglich überhaupt etwas zu sehen. Viele Hobbyfotografen vergessen oft, unser Auge nimmt die Lichtstimmung völlig anders war, als dies mit der "Standard" Einstellung der Kamera möglich ist. Vieles lässt sich heutzutage natürlich mittels Bildbearbeitung "retten". Mein Anspruch an das Rohmaterial ist es jedoch möglichst mit Bestparametern zu shooten, um damit überhaupt die erforderliche Grundlage für die Postproduktion zu schaffen. Die Farben der Oberflächen sowie deren Textur werden erst sichtbar, wenn die richtige Menge Licht in der entsprechenden Diffusität auftrifft und dann auf den Sensor der Kamera reflektiert wird. Um hier vorzeigbare Ergebnisse zu liefern, waren zumindest bei mir einige Jahre mit vielen Enttäuschungen notwendig.
Welche Erschwernisse birgt diese Lichtquelle im Einsatz?
Wer einmal mit einem Blitz gearbeitet hat weiß, dass nun zu den Dimensionen Belichtungszeit, Blende und Empfindlichkeit eine vierte Dimension dazu kommt. Mit dieser nimmt man direkten Einfluss auf alle anderen Parameter und muss sich nun mit allen Vieren gleichzeitig beschäftigen und diese bei jedem Shoot im Auge behalten. Für mich eine der größten Herausforderungen, vor allem beim Einsatz von drei und mehr Lichtquellen. Jede davon lässt sich separat steuern in Ihrer Intensität, Form, Winkel, Abstand usw.
Selbstverständlich gibt es heute wie bei der Kamera selbst auch Automatikeinstellungen für das Blitzen - aber ganz ehrlich wer beim Fotografieren auf Autopilot stellt, beraubt sich damit fast aller Gestaltungsmöglichkeiten. Für einen Schnappschuss mag das eine Strategie sein, für eine Fotografie nach meinem Geschmack ungeeignet.
Wir alle kennen das Blitzlicht, welches bei schlechter Belichtung vor allem bei Amateurgeräten ausgelöst wird. Es soll zusätzliches Licht auf das Motiv werfen, egal wie, Hauptsache heller. Inszwischen hat sich auf Insta dazu sogar ein Trend entwickelt und einige Models präsentieren sich in diesem sehr einfachen Blitz-Pola-Look. In hochwertigeren Kameras lässt sich das Licht des Blitzes in seiner Stärke und im Zeitpunkt der Zündung einstellen. In Profikameras ist dieser Blitz jedoch überhaupt nicht vorhanden. Warum - ganz einfach weil man damit keine qualitativen Bilder erzeugen kann. Je kleiner die Lichtquelle ist, um so schärfer werden die Ränder des erzeugten Schattens, das kann ein gestalterisches Mittel sein. In Bereichen, in denen hochwertige Fotografien gefragt sind, ist dafür kein Platz. Das Licht eines Aufsteckblitzes, der direkt auf der Kamera gezündet wird, lässt sich zwar mittels Lichtformern und auch im Winkel leicht verändern, kann jedoch eher als Ausrüstungskompromiss, etwa bei Reportage-Fotografen, betrachtet werden. Das frontale Anblitzen eignet sich nur für die wenigsten Kompositionen und ist außerdem auch ziemlich unangenehm für das Model. Wenn der Aufsteckblitz jedoch bereits entfesselt, also mittels Fernauslösung genutzt wird, können bereits erste interessante Effekte erzeugt werden.
Wir arbeiten fast ausschließlich mit der Kombination aus beiden Lichtquellen, um hier gezielt das Ergebnis zu erzeugen, welches gewünscht wird und nicht welches gerade unter den vorherrschenden Bedingungen möglich war. Natürlich können wir unsere Studiolampen nicht überall aufstellen und nutzen. Gerade das Wetter, besonders Wind nimmt großen Einfluss darauf.
Einen Regenschirm im Starkwind zu halten, macht bereits wenig Freude. Einen 1.000,00 EUR teuren Studioblitz mit einer 180 cm großen Softbox samt Stativ im Wind auf den Boden schmettern zu sehen, kann einem kurz die Fassung rauben. Bei Produktfotografien geht es äußerst selten mit Naturlicht zu. Bereits hier sollten die Grundskills ausreichend etabliert sein, um gute Ergebnisse zu liefern. Das ist im Übrigen auch fester Standard in der Branche.
Auf unseren Hochzeiten arbeiten wir bis auf ein paar Ausnahmen immer mit beiden Quellen. In bestimmten Situationen ist dies nicht immer möglich bzw. auch nicht angebracht. Während der Zeremonie stört das Blitzlicht erheblich die Stimmung des Paares und der Gäste, hier setzen wir auf große und lichtstarke Festbrennweiten als Kompromiss. Gerade hier sollte man auf einen Aufsteckblitz verzichten, der nervt nicht nur gewaltig die Anwesenden sondern produziert unansehnliche Schlagschatten auf Motiv und Hintergrund.
Auch wenn das Motiv sich bewegt, kann das Licht nicht mehr korrekt gesteuert werden - das insbesondere als Folge des reziproken Abstandgesetzes. Dieses bestimmt den Wirkungsgrad des eingesetzten Lichts in Abhängigkeit von seiner Entfernung zum Motiv. Hier nimmt die Intensität des Lichtes mit seiner Entfernung im Quadrat ab. Je nach Aufbau des Lichtsets machen dabei ein paar Zentimeter mehr oder weniger bereits eine enorme Veränderung aus.
Sobald wir mit unseren Paaren dann aber allein sind setzen wir unsere Lichttechnik gezielt ein, um brillante Farben und Texturen sichtbar zu machen sowie die Komposition gezielt zu beeinflussen.
Nachteile
Den größten Nachteil stellt in meinen Augen die Menge des Equipments dar, den es zu transportieren gilt. Allein ist solch' ein Aufwand kaum leistbar und somit auch ein Grund, warum man sich gegen diese Technologie entscheidet bzw. auch entscheiden muss.
Für den Aufbau und das Einmessen des Lichtset wird Zeit benötigt, für "quick and dirty" eignet sich damit ganz sicher nicht der Einsatz von Studiolicht.
Eins ist außerdem klar, wer sich dazu entscheidet mit Kunstlicht zu arbeiten, wird je nach Art der Ausrüstung nochmal ein paar Tausend Euro in die Hand nehmen müssen, vor allem wenn man, wie wir, auf hochmobile Blitze setzt. Um die nötige Flexibiliät in der Anwendung zu haben ist dies für uns jedoch unversichtbar. Unser Kunden wissen dies sehr zu schätzen.
Allen die hier bislang auf den Einsatz verzichtet haben, aus welchen Gründen auch immer, darf versichert sein, Kunstlicht wirkt ganz sicher nicht künstlich.
コメント